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Krieg und Frieden: Der Oberst

[Achtung, Obacht, Vorsicht: Dieser Teil enthält keine Sex-Szenen sondern dient nur der Entwicklung des Handlungsstranges] Es ist das Letzte Schöne, was mir in Erinnerung bleibt, als am Montagnachmittag mein ganzes Leben einstürzt. Noch am Morgen hast du mir eine Nachricht geschickt, drei Emojis die Wasserfälle heulen, auf meine Frage was los ist, kam keine Antwort mehr. Doch jetzt in der Vernehmung durch den S1-Offizier wird es mir sonnenklar. Der GeZi Soldat hat sich wegen seiner vermeintlichen Scheißerei am Wochenende standortfremd bei einer Kaserne nahe seines Wohnorts Neukrank gemeldet.

Der dortige Truppenarzt hat eine gefährliche Virusinfektion vermutet und deshalb ein Blutbild gemacht und heraus kamen Medikamentenrückstände des Abführmittels, das du mir gegeben hast, ein Zeug, das fast nur noch bei der Bundeswehr eingesetzt wird. Der Arzt hat deinen Vorgesetzten angerufen und sich beschwert warum ihr das Zeug überhaupt noch rausgebt und dann noch so überdosiert. Dein Chef, der Oberstarzt, wiederum hat die Bestände prüfen lassen, festgestellt das was fehlt, das nicht eingetragen ist und dich befragt und du hast noch arglos erzählt, dass du mir einen Gefallen tun wolltest, nicht wissend was in Wirklichkeit geschehen ist.

Die Packung in meinem Spind zu finden, war für die Feldjäger ein Leichtes und die Differenzen zwischen mir und dem Soldaten dem Chef wohlbekannt. Keine Chance mich rauszureden. Doch die Konsequenzen rauben mir den Atem und die Fassung. Großes Theater, Befragungen, Vernehmungen in Anwesenheit der Vertrauenspersonen von Mannschaften und Offizieren, Unterschriften, Formalitäten. Letztlich kostet mich das Disziplinarverfahren 1800€ Geldstrafe, Verstoß gegen die Fürsorgepflicht gegenüber Untergebenen, Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft, Verstoß gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung und so weiter und so weiter, Berufssoldat werden kann ich vergessen.

Doch das dicke Ende kommt noch: Ich werde degradiert und komme für eine Woche ins Cafe Viereck. Dass es dich noch schlimmer getroffen hat, erfahre ich erst später. Du bist zwar schon Berufssoldat, doch hast durch die Medikamentenveruntreuung deine Zulassung als Ärztin verloren, als Stabsoffizier und Berufssoldatin kostet dich das Diszi stolze 2600€, du wirst ebenfalls degradiert zur Stabsärztin bzw. zur Hauptmann, Ärztin wirst du nie wieder sein. Du musst auch eine Woche einsitzen.

Und das alles nur wegen mir. Die Degradierung zum Leutnant findet, Gott sei Dank, im Büro des Chefs in aller Stille statt und nicht vor der Truppe. Die traurigen Augen des Spieß zeigen mir, dass er enttäuscht ist, die triumphierende Haltung des Chefs macht mich wütend. „Melde mich mit neuem Dienstgrad ab“ zische ich, mein Gesicht ist eine Maske, doch meine Stimme zittert als ich die Worte spreche. Von dir habe ich seither nichts mehr gehört.

Ich packe meine Sachen, steige in den Transporter der Feldjäger um die Haft anzutreten. In der Kaserne angekommen, in der sich der kleine Militärknast befindet, muss ich natürlich zuerst bei einem Truppenarzt vorsprechen, der mich auf Hafttauglichkeit prüft. „Haben Sie Depressionen oder tragen sie sich mit Selbstmordgedanken?“ fragt der alte Oberstabsarzt desinteressiert. „Nein, die eine Woche werd ich schon überleben“ antworte ich gespielter Fröhlichkeit. Ein Stabsfeldwebel nimmt mich außerhalb des Arztzimmers wieder in Empfang und bringt mich in die Zelle.

„Sie haben Anspruch auf Information! Wünschen Sie eine Tageszeitung?“ „Ja“ sage ich leise und erniedrigt. „Die Ausübung des Glaubens wird gewährleistet! Wünschen Sie eine Bibel…oder einen Koran?“ „Koran, bitte“ antworte ich, Bibel kenne ich ja schon. „Rauchen Sie? Als Raucher bekommen Sie 10 Zigaretten am Tag!“ „ja“ sage ich noch leiser. Die graue Stahltür fällt hinter mir ins Schloss. Ich beziehe das Bett und lenke mich von der Stille und dem Gedanken an dich ab, indem ich die Zeitung und dann den Koran wälze.

Am nächsten Tag werde ich zum regulären Tagesdienst zu der ansäßigen Einheit abgestellt, nach Dienstschluss geht es für mich in den Bunker zurück. Um 18:00 Uhr öffnet sich die massive Tür quietschend. Zwei Oberfeldwebel der Feldjäger führen mich zum Essen in die Kantine. Es sind stämmige Männer, mit kalten Gesichtern, Die MP-Armbinde und das Schwarzzeug um die Hüfte lassen sie bösartig wirken, obwohl es auch nur Kameraden sind, die ihre Pflicht erfüllen. In der Kantine sehe ich dich in Begleitung zweier weiblicher Feldjäger, die deutlich übler aussehen als meine Begleiter.

Du siehst scheiße aus. Ungeschminkt, verheult, übernächtigt, mit tiefen Augenrändern, deine sonst so prächtige Mähne ist strohig zu einem Pferdeschwanz gebunden. Mit gesenktem Blick nimmst du dein Tablett und wirst von den MPs ruppig weitergezerrt. Ich esse mit meinen Feldjägern, die zum Glück einigermaßen angenehme Kameraden sind. Nachdem essen spendiert mir einer sogar noch eine elfte Zigarette. Dann wird es wieder still und und düster um mich herum, als sich die Zelle schließt. Unendlich zäh rinnt die Zeit dahin, ich kann nicht schlafen, träume von dir, von uns, quäle mich mit 1000 Fragen was aus mir wird, wie es weiter geht, warum ich das nur getan habe und was ich dir damit angetan habe.

Ich werde wahnsinnig, ich finde keine Antworten, ich martere mich selbst, was viel mehr Strafe ist als in der kleinen Zelle zu sitzen. Monoton vergehen die Tage, es ist immer das Gleiche. Am vorletzten Tag jedoch passiert etwas seltsames. Ich höre das Knirschen des Schlüssels in der Zellentür, die Tür fliegt auf, davor stehen zwei Feldjäger, der helle Gang hinter Ihnen lässt sie dunkel wirken, sie werfen lange Schatten über den Zellenboden. „Gefangener, mitkommen!“ schnarrt einer.

Ich erhebe mich von meiner Pritsche und folge ohne zu fragen in einen Vernehmungsraum. Der Raum ist fensterlos, mit grauen Betonwänden, warm und und mit hellem, kalten Licht geflutet. Hier drin kann man nicht sagen, ob es Tag oder Nacht ist, eine altbewährte Taktik um Gefangene zu zermürben. Ich werde auf einen unbequemen Metallstuhl gesetzt. Ein zierlicher Mann betritt den Raum mit scharfem Blick und Maus-ähnlichen Gesichtszügen. „Mein Name Ist Müller!“ stellt er sich mit arrogantem Tonfall vor, genauso gut könnte er sich gleich Mustermann nennen.

„Von der MAD Sektion 5, Stuttgart!“ tönt er weiter und setzt sich mir gegenüber des kleinen Tischs auf den Stuhl. Ich sehe ihn fragend an. „Was wollen Sie von mir?“ frage ich leise und skeptisch. „Gleich zum Punkt, sehr gut!“ hebt er an. „Sehen Sie, Oberleu…Leutnant…“ ein Schmunzeln legt sich kurz um seinen Mund. Das war Absicht und er weiß, dass ich das weiß. „Sehen Sie, Leutnant, ich bin hier, um Ihnen einen Vorschlag zu machen“ redet er weiter.

Skeptisch hebe ich eine Augenbraue. „Wir suchen immer fähige Kameraden, gern mit Fronterfahrung und sowieso am liebsten Offiziere, die … naja… von der Bundeswehr enttäuscht wurden… und / oder die Bundeswehr enttäuscht haben. Kameraden also, die von ihrer militärischen Laufbahn, oder gar ihrem Leben nicht mehr viel zu erwarten haben, aber durchaus eine zweite Chance verdienen. Und soweit mir Ihr Fall bekannt ist, Leutnant, gehören Sie genau zu dieser Gruppe von Soldaten. Ich persönlich finde ja, dass Sie und ihre blonde Freundin unangemessen hart bestraft worden sind.

Es ist eben zur Unzeit passiert“ er hebt theatralisch die Hände, „Sind doch die wehrpolitischen Bemühungen darauf gerichtet, die Nachwuchsgewinnung anzukurbeln, da macht es schlechte Presse, wenn man Soldaten unfreiwillig unter Medikamente setzt“ reibt er mir unter die Nase. „Wofür?“ frage ich knapp. „Wofür was?“ entgegnet „Müller“ verdutzt. „Na als Sie angefangen haben zu labern, sagten Sie, sie suchen immer fähige Kameraden. Also, wofür brauchen Sie denn diese fähigen Kameraden wie mich?“frage ich entnervt, mir schwant nichts Gutes.

„Schon mal von Oberst Wiesel gehört?“ fragt er unvermittelt, ich muss kurz lachen. „Jeder kennt die Geschichten des legendären Oberst Wiesel. “ lache ich, „Dämliche Lagerfeuergeschichten, so alt wie die Bundeswehr selbst. Vielleicht gabs diesen Oberst Wiesel wirklich mal, vielleicht nicht, was hat das mit mir zu tun?“ hake ich weiter nach. „Sie irren sich. Oberst Wiesel existiert wirklich, auch wenn er nicht der Jüngste ist. Und weil er nicht mehr der Jüngste ist, könnte er gut eine kleine ZbV Truppe gebrauchen…da wiederum kommen Sie ins Spiel.

Sie und die Stabsärztin „Jener Müller sagt das so vollkommen ernst, dass ich mein Lachen kaum unterdrücken kann. „Jaja, Wiesel hat mehr Menschen umgebracht als die Pest im Mittelalter“ pruste ich. „Na ganz so viele warens nicht“ entgegnet mein Gegenüber trocken. Aus den Augenwinkeln suche ich die Ecken und die Decke nach Kameras ab, ich vermute eine Art Sozialexperiment der Bundeswehruniversität, oder ganz banal einen Loyalitätstest, vielleicht auch einen schlechten Scherz. „Soso, und was macht man so als Wiesel ZbV Trupp? „Am Lagerfeuer Suppe aus dem Blut seiner Feinde kochen? frage ich lachend.

„Nun, Feindkontakt wird auf jeden Fall eine Rolle spielen, schätze ich“ gibt sich Müller unwissend. „Was ich ihnen aber definitiv sagen kann ist, dass es sich für Sie lohnt. 1 Jahr in dem Trupp und alles was davor war ist vergeben und vergessen, Sie werden Berufssoldat falls Sie das wünschen und Stabsoffizier bis zum Oberst. Fette Pension, Orden aller Couleur und so weiter. Und falls Sie nach dem Jahr nicht mehr Soldat sein möchten, werden sie mit allen Ehren entlassen und kassieren für Ihr Stillschweigen trotzdem eine fette Pension.

Ich verlange jetzt keine Antwort von Ihnen. Denken Sie darüber nach. Ihrer blonden Gespielin mache ich dasselbe Angebot“ohne weitere Worte steht er auf und verlässt den Raum. Kurz darauf werde auch ich abgeführt. Am Tag darauf werde ich aus dem Arrest entlassen. Ich habe schlecht geschlafen, mich selbst wieder mit Fragen gequält. Ich werde garantiert wieder versetzt, keine Ahnung wohin, ich hab kein Bock drauf. Und ich will wissen, was es mit diesem Oberst Wiesel auf sich hat.

natürlich ist es eine Art Trick oder Test, aber mir ist es inzwischen egal ob ich ihn bestehe. Dieser Müller kommt mich in meiner Zelle besuchen. Mit einem freundlichen Lächeln bedeutet er den MPs draußen zu bleiben und schließt die Tür hinter sich. Er dreht sich wieder um „Ja“ rufe ich ihm entgegen. „Was ja?“ fragt er verdutzt. „Ja, ich werde Wiesel ZbV Trupp!“ sage ich, die Vorstellung amüsiert mich noch immer. „Das freut mich zu hören.

“ antwortet er ruhig „Ihre blonde Bekannte hat sich übrigens auch dazu entschlossen, bereits gestern!“ schiebt er nach. Ich bin verblüfft. Noch in der Kaserne werden uns Papiere, Erklärungen, Verträge und Schweigegebote zur Unterschrift vorgelegt, wir fahren zu einer WBV Stelle, werden komplett neu ausgerüstet und eingekleidet, es wird keine Gelegenheit geboten sich noch irgendwie der ganzen Sache zu entziehen und wir haben auch nicht die Möglichkeit miteinander zu sprechen. Noch in der selben Nacht besteigen wir das Flugzeug nach Afghanistan über Termez, Usbekistan.

Erst im Flugzeug kann ich kurz mit dir reden. „Was machst du denn hier? bist du völlig verrückt geworden? fahre ich dich aufgebracht an. „Halts Maul“ zischt du zurück „Dir verdanke ich den ganzen Scheiß! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben“ du bist stocksauer „warum lässt du dich dann in die gleiche Einheit versetzen wie ich? frage ich erschrocken. Du verschränkst die Arme vor deinen Brüsten “ ich wollte einfach nur weg von dort.

Ich kann mich nirgends mehr blicken lassen, meine Karriere ist am Arsch und meine Ehe auch. Und du bist Schuld!“ geschlagen sinke ich in den Sitz des Flugzeugs, den Rest des Flugs reden wir nicht mehr miteinander. In Afghanistan angekommen werden wir von einer bewaffneten Eskorte am Rollfeld abgeholt, wir besteigen einen mächtigen Dingo mit computergesteuerter Kaliber. 50 Bordkanone. Im Inneren des gepanzerten Fahrzeugs ist es angenehm kühl klimatisiert. Der Konvoi mit dem Dingo in der Mitte setzt sich in Bewegung, wir scheppern über unbefestigte Straßen durch die asiatische Geröllwüste, vier lange Stunden, bis wir endlich ankommen.

Als wir endlich aussteigen dürfen hüpfe ich aus dem Fahrzeug, strecke mich. Wir laden unser Gepäck ab, du ignorierst mich. Du kämpfst mit deinem schweren Seesack, was ich im Gegenzug ignoriere, wir werden am äußersten Rand des kleinen Feldlagers in einem separierten Teil durch die Tür eines Wohncontainers geschoben, mit der Aufforderung unser Gepäck abzulegen und uns beim Oberst zu melden. Beim Oberst!? Ich halte es kaum aus vor Spannung, alles ist auf einmal vergessen, ich erinnere mich an all die Geschichten über Oberst Wiesel, die ich in meiner Dienstzeit so gehört habe.

Die Legende besagt, Oberst Wiesel sei ein altgedienter Einzelkämpfer, der als junger Offizier 1992 in Somalia seinen ersten Spezialauftrag hatte. Im damaligen Zeitgeist nach dem kalten Krieg erschien das wohl eine gute Idee zu sein, die auf der Rechtsgrundlage von dunnemals realisiert werden konnte. Angeblich unterstand er direkt dem Bundeskanzler, was in Friedenszeiten ja rechtlich ausgeschlossen ist. Dann ging es in wohl in Bosnien und im Kosovo weiter, wo er hinter feindlichen Linien inoffizielle Aufträge durchführte, Aufklärung und Informationsgewinnung und das schonungslose Vernichten von Feindkräften waren angeblich seine Aufträge.

Angeblich berauschte er sich am Blut seiner Feinde und entvölkerte ganze Balkandörfer. Hanebüchene Räuberpistolen, die man den jungen Rekruten erzählt, doch es kommt noch besser: nach der Kanzleramtsübernahme durch Schröder Ende der 90er sollten auch Wiesels Einsätze ein Ende finden. Man erzählt sich, dass Wiesel damals wohl Schröder gedroht haben soll, ihm aufgelauert haben soll, mitten im Bundestag, vorbei an Dutzenden Sicherheitskräften und schließlich soll es Wiesel geschuldet sein, dass Schröder 2005 abdankte, das Misstrauensvotum nur Polittheater.

Als Merkel als Kohls Zögling die Macht übernommen hatte, saß Wiesel wieder fest im Sattel und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ich amüsiere mich über die Märchen des sagenhaften Wiesel, bis sich die Tür öffnet, dahinter steht ein älterer Kamerad, etwa 1,80 groß, kräftig, muskulös mit breiten Schultern. Den Haarkranz um seine Halbglatze zu einer Vollglatze abrasiert, miserabel rasiert mit einem blauschwarzen Bartschatten im Gesicht, das größtenteils von einer riesigen verspiegelten Fliegerbrille verdeckt wird, was mal so gar nicht zur Bekleidungsvorschrift passt.

Seine Uniform ist ein alter ausgeblichener Fetzen der kaum an noch an eine deutsche Uniform erinnert, über seine breiten Schultern spannt sich ein hellbraunes Lederholster, das definitiv nicht zur Uniform gehört. Unter der linken Achsel hängt darin schwer ein verchromter Revolver der absolut keine militärische Waffe ist. In seinem Mundwinkel hängt ein Zahnstocher. Er bleckt seine vergilbten Zähne zu etwas, das ein Lächeln sein soll. „Willkommen im Scheiß-Absurdistan!“donnert er die Arme einladend weit aufgerissen, „Immer Reinspaziert, wir haben geheizt und Wasser aus der Wand! Willkommen Freunde!“ Der Mann freut sich offenbar wirklich uns zu sehen, wir betreten den Raum und ich schlucke als ich die Dienstgradabzeichen eines Obersten unter dem zivilen Holsterband erkenne.

Er geht um seinen Schreibtisch herum, lässt sich in den Sessel plumpsen „Platz!“ donnert er und zeigt auf zwei Stühle. Wir setzen uns, sind sprachlos. Das soll dieser Wiesel sein? denke ich bei mir, keine Ahnung was ich erwartet habe, aber ich dachte mehr so an einen mustergültigen Supersoldaten oder so. Lässt eine Zigarette in seinen Mundwinkel gleiten, in dem gerade noch der Zahnstocher steckte und zündet sie mit einem Sturmfeuerzeug an, Seine Stiefel knallt er auf den Tisch, leise rieselt der Sand aus dem Profil seiner Sohlen auf die Tischplatte.

„Frau Hauptmann! Herr Leutnant! schnarrt er nickend und so freundlich er kann. „Sind Sie Oberst Wiesel?“ platzt es aus dir heraus. „Der bin ich meine Teuerste, und nein, das ist kein Scherz und ja, was Sie über mich gehört haben stimmt!“ grinst der alte Bär selbstgefällig. „Auch das mit Schröder?“ grinse ich leise vor mich hin. „Nee“ winkt er ab, „der war wirklich ne Pfeife, aber stimmt schon, der Gerhard und ich haben uns nicht gut verstanden, da waren mir CDUler schon lieber“ lacht er rasselnd.

„Ihr seid also mein ZbV Trupp!? Ihr macht nen soliden Eindruck, ich frage mich was ihr wohl ausgefressen habt? Du!“ er zeigt auf dich, „Du! was kann so ein hübsches Blondchen schon verbrochen haben, dass man es quer über den Planeten geradewegs in Wiesels eigene kleine Hölle schickt? schnarrt er weiter „Ich bin kein Blondchen, ich bin deutscher Offizier, genau wie Sie! Und ich verbitte mir diesen Ton!“ protestierst du keifend. Der Veteran schmunzelt “ keine 5 Stunden in Afghanistan und schon hast du Sand in der Fotze!? Komm mal auf dein scheiß Leben klar, Mensch! Das ist ein Himmelfahrtskommando hier, sei froh wenn du nur mit nem Dachschaden davon kommst!“ Mit aufgerissenen Augen suchst du meine Unterstützung, doch ignoriere es und amüsiere mich an der Kaltschnäuzigkeit dieser Kuriosität von einem Offizier.

„Wie auch immer, ich freue mich ehrlich, dass ihr da seid. Ist scheiß einsam hier. Aber wir machens uns gemütlich! Gutes Essen, Gute Getränke, entspannter Alltag…der Stress kommt von ganz allein! Und wenn du fertig bist mit menstruieren, BLONDIE, sei mein Gast, ich schmeiß heut Abend den Grill für uns an“. Er bringt uns zu unserem Wohncontainer und führt uns auch durch den Rest seines kleinen Abteils des Feldlagers. Vorratscontainer, Ein Container, der als Waffenkammer dient.

Hinter seinem Wohncontainer ist eine große Feuerstelle mit Grillrost und Bierbänken. „Geht auf eure Stuben, schlaft euch aus. Ihr habt sicher Jet Lag des Todes. Abends gibts ein lecker Fresschen, dann ist die Welt wieder in Ordnung“ lacht er und wir treten weg. Als es dunkel wird, weckt uns der alte Haudegen sanft und freundlich „Raus aus den Federn, gibt HapaHapa!“ er schmeisst fette Steaks auf den Grill, dass mir die Lefzen wässern, zischend brutzelt das Fleisch während er sorgsam dekantierten, edlen Rotwein einschenkt.

„Nur das Beste für Deutschlands Kriegerelite“ schnarrt er und setzt den Rest der 31 jahre alten Flasche Buzet an den Hals als wäre es Wasser. Vollgefressen und glücklich lassen wir den Abend ausklingen, der Wein tut sein übriges. Der Oberst erzählt von diesem und jenem. Alles in allem ist es schön in der lauen Nacht, der Himmel ist kobaltblau, die Milchstraße leuchtet über uns. Nur zwischen uns beiden ist es eisig und ich hasse mich dafür.

Der alte Bär öffnet noch eine und noch eine Flasche, wir besaufen uns. Während ich verdränge, was die Geschichten besagen und weswegen wir hier sind, bist du unruhig. Deine Balkanwurzeln und die Geschichten über das Wüten des alten Kriegers auf dem Balkan lassen dich Glas um Glas erregter werden. „Blut schmeckt metallisch, nach Zink und Kupfer, aber mit Pfefferminzlikör gehts“ amüsiert er sich rasselnd. „Halten Sie den Mund!“ Platzt es aus dir heraus. „Keiner glaubt ihre Schauermärchen! Und wenn nur 10% davon wahr sind, sind Sie nur ein psychopathischer Kriegsverbrecher und kein ehrenhafter Soldat!“ keifst du dich in Rage.

Der Oberst wird still „wisst ihr warum ich selbst jetzt in der Dunkelheit eine Sonnenbrille trage?“ fragt er ruhig. „Hören Sie doch auf mit dem Scheiss!“ bellst du zurück, ich enthalte mich und freue mich auf das was auch immer gleich passieren wird. Er ignoriert dich. „weil die Augen der Spiegel zur Seele sind“ beantwortet er seine eigene Frage und nimmt dabei die Brille ab und schleudert sie auf den Tisch. Wie gebannt sehen wir beide in seine Augen.

Sie wirken leer und tot. Ich weiß nicht ob man per Definition toter als tot sein kann, aber wenn doch, seine Augen sind es. Wie die Augen eines Hais, groß, tot, leer und stumpf. Nichts menschliches liegt mehr in ihnen, keine Emotion, nichts. Doch er ist noch nicht fertig. Diese Augen haben 127 Menschen dabei zugesehen, wie sie durch meine Hand gestorben sind. Und das waren nur die, die ich dabei auch wirklich gesehen habe“ knurrt der alte Bär gefährlich leise.

Ob es nun stimmt oder nicht, es spielt keine Rolle mehr, der Mann ist ein Krieger durch und durch. Noch immer ist er nicht fertig. Er springt auf, vom Wein getrieben und reißt seine Feldbluse auf. Sein Körper ist entstellt von 1000 Narben. Ich schlucke. Er zeigt auf mich “ Du hast diesen Sand schon einmal mit deinem Blut getränkt, ja?“ knirscht er. „Ja“ flüstere ich. 1000 Geschosse, 1000 Klingen haben sich in sein Fleisch gefressen, in 1000 Kämpfen nach seinem Leben getrachtet.

1000 mal hat er im Dreck geblutet, 1000 mal wurde sein Hilferuf am anderen Ende des Funkgeräts mit Stille beantwortet, 1000 mal kam niemand und 1001 mal ist er wieder aufgestanden, negiert von seinen Auftraggebern, der Weltöffentlichkeit verborgen. Das einzige was ihn jedes mal am Leben hielt war den Feind zu dehumanisieren, sich zu rächen, alles zu vernichten was anders war. „Tut mir leid was ihnen passiert ist, ehrlich“ sagst du kühl „Aber das ist ja wohl kein Grund Unschuldige abzuschlachten“ Sein Blick fährt herum „Abzuschlachten?“ fragt er ungläubig „ICH.

DIENE. DEM VATERLAND!“ Brüllt er aufgewühlt, seine Stimme bricht und seine toten Augen werden glasig. Er offenbart sich als das was er in Wirklichkeit ist: kein blutsaufender Massenmörder, sondern ein schwer traumatisierter Veteran, mit seinen Sorgen allein gelassen, hat er aus der Not eine Tugend gemacht und das Töten sich selbst zur Freude erklärt. Ein Patriot dessen Liebe zu Volk und Heimat von Volk und Heimat nie erwidert wurden, gleich einem geschlagenen Hund, der immer wieder um die Beine seines Besitzers streicht und bettelt endlich gestreichelt zu werden.

Ein Dinosaurier, ein Fossil aus der Zeit bevor Demokratie, Humanismus und Kriegskonventionen ihre langen Schatten über das Kriegerbewusstsein des deutschen Soldaten geworfen haben. Der Mann tut mir Leid, egal wie viele Menschen er wirklich getötet hat oder auch nicht. Er ringt um Fassung, die Stimmung ist am Boden aber keiner kann hier vor dem anderen weglaufen. Er ruft sich zur Ordnung, knöpft die Feldbluse zu, Sonnenbrille auf, Zigarette in die Schnauze. „So!“ atmet er tief ein und macht eine neue Flasche auf, Wir saufen die Anspannung weg.

Irgendwann falle ich volltrunken ins Bett.


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